Exlibris jüdischer Frauen
Das Stadtmuseum kaufte 1988 vom Auktionshaus Dietrich Schneider-Henn in München hunderte Exlibris. Darunter befinden sich Exemplare von Agnes Meyerhof, die sie selbst für sich anfertigte. Sie war Künstlerin in Frankfurt am Main und vor allem für ihre Tierdarstellungen bekannt. Mit 86 Jahren wurde sie 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Auf einem Exlibris von Betty van Esso ist vor einem Sternenhimmel ein Frauenkopf mit langen Haaren dargestellt. Es stammt vom Wiener Künstler Erich Schütz (1886-1937), der gerne Fabelwesen wie zum Beispiel Nixen malte. Seine Kundin Betty van Esso stammte aus den Niederlanden und heiratete den Arzt Herman Heijmans van Amstel, mit dem sie zwei Söhne hatte. Sie wurde zusammen mit tausenden Juden ins Polizeiliche Durchgangslager Westerbork deportiert, anschließend nach Ausschwitz-Birkennau gebracht und dort ermordet.
Anna Kallmus war die Schwester der Fotografin Dora Kallmus (1881-1963), die ab 1907 unter dem Künstlernamen Madame d’Ora bekannt wurde. Im Jahr 1907 eröffnete Dora als eine der ersten Frauen in Wien ein Fotostudio und wurde schnell berühmt. In Paris gelang ihr in den 1920er-Jahren der internationale Durchbruch. Das änderte sich mit dem Nationalsozialismus. Um den deutschen Besatzern zu entkommen, wollten beide Schwestern fliehen. Während Dora sich retten konnte, wurde ihre Schwester Anna von den Nationalsozialisten in einem Konzentrationslager in Polen ermordet.
Die Jüdin Alma Rosenthal, geborene Mohr, gab bei Carl Pauer-Arlan aus Mährisch-Weißenkirchen ein Exlibris in Auftrag. Er versah es mit dem Motiv einer Jungfrau, deren Füße als Fischschwänze in einen Teich hängen. So unbeschwert das Leben von Alma begonnen haben mag – auch sie wurde während des Nationalsozialismus nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Lediglich eine der Frauen überlebte den Holocaust: Clara Stern. Auf ihrem Exlibris ist zwischen zwei Füllhörnern mit Blumen eine Villa zu sehen. Stern leistete an der Seite ihres Manns William Stern Grundlegendes auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie. Das tat sie ohne akademischen Abschluss, der vor 1900 für Frauen in Deutschland noch nicht möglich war. Sie stammte aus einer begüterten jüdischen Familie Berlins. Durch die Machtergreifung der Nazionaloszialisten 1933 wurden jüdische Wissenschaftler sozusagen über Nacht aus ihren Ämtern gedrängt. Claras Ehemann William Stern musste seine Stelle an der Universität Hamburg aufgeben. Sie flohen zunächst in die Niederlande, dann weiter in die USA, wo sie fortan leben und forschen konnten.
Die Exlibris werden in ihrer Provenienz alle kritisch eingestuft. Die Frauen erlitten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft furchtbares Unrecht bis zum brutalen Mord. Die Exlibris sind über das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste als verdächtige Funde veröffentlicht, um sie Nachfahren der Verfolgten verfügbar zu machen.