Tübingen wird Landeshauptstadt der Gemeinschaftsschulen
Pressemitteilung vom 24.01.2012
Nur 34 Schulen werden im kommenden Schuljahr in ganz Baden-Württemberg als Gemeinschaftsschulen an den Start gehen können. Allein drei davon kommen aus Tübingen. Aber nicht nur die Zahl der Gemeinschaftsschulen ist bemerkenswert. Während fast alle anderen Starterschulen in ländlichen Gemeinden sind, ist Tübingen die größte Stadt, in der es überhaupt eine Gemeinschaftsschule geben wird und die einzige große Stadt, deren Gemeinschaftsschule nicht in einem dörflichen Stadtteil, sondern im Zentrum liegt. Und Tübingen ist die einzige Stadt, in der nicht allein Werkrealschulen den Weg zur Gemeinschaftsschulen gehen. Hier wird eine Grundschule zur Gemeinschaftsschule ausgebaut. Hier ist der einzige Standort einer Realschule die mit einer Werkrealschule zur Gemeinschaftsschule wird. Und hier ist der einzige Standort, der auch ein Gymnasium einbezieht.
Diese Sonderstellung Tübingens hat viele Gründe. Die Vorgeschichte reicht weit zurück. Schon in den 70er Jahren war gemeinschaftliches Lernen in Tübingen populär. Eine der ganz wenigen erfolgreichen Gesamtschulen in Baden-Württemberg war die Geschwister-Scholl-Schule. Diese Erinnerung hat bis in die Gegenwart gewirkt und dazu geführt, dass Tübingen als einzige Stadt im Jahr 2009 eine „erweiterte Kooperation“ als Schulversuch erlaubt wurde, die nicht mit Klasse 6 endet, sondern bis Klasse 10 weitergeführt wird. Dieser Schulversuch wird nun als Gemeinschaftsschule neu genehmigt und kann damit als Starterschule bereits den vierten Jahrgang in Klasse 5 aufnehmen. Der Vorsprung an pädagogischer Erfahrung ist immens wertvoll und führt dazu, dass die Geschwister-Scholl-Schule ihre radikal neuen Lernkonzepte im ganzen Land vorstellen darf. Hier kann man sehen, was individuelles Lernen in der Praxis bedeutet.
Auch die Französische Schule hat einen langen Weg zur Gemeinschaftsschule hinter sich. Schon in den 90er Jahren bildete sich eine breite Initiative aus der Schulgemeinschaft, die einen Schulversuch für zehnjähriges gemeinschaftliches Lernen in jahrgangsübergreifenden Klassen vorantrieb. Eine Genehmigung wurde jedoch vom Land immer verweigert. Auch 2007, als die „erweiterte Kooperation“ für die Geschwister-Scholl-Schule genehmigt wurde, gab es ein klares Nein aus Stuttgart zu einem Schulversuch an der Französischen Schule. Nach mehr als einem Jahrzehnt geht für die Französische Schule nun der Traum in Erfüllung, die aus den Klassenstufen 1 bis 4 erprobten Lernkonzepte bis Klasse 10 fortsetzen zu können.
Die jüngste Gemeinschaftsschule ist die einzige, die in Tübingen zwei bisher selbstständige Schulen vereinen wird. Die Albert-Schweitzer-Realschule und die frühere Hauptschule Innenstadt, jetzt Werkrealschule Innenstadt, werden zur Gemeinschaftsschule Innenstadt. Beide Schulen haben sich in der Vergangenheit durch innovative Schulkonzepte einen Namen gemacht. Seit Jahren hat die Werkrealschule Innenstadt in Tübingen als überwiegend gebundene Ganztagesschule ein Profil entwickelt, das die ganzheitliche Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellt. Dieses pädagogische Programm umfasst Hilfen zum Lernen und Hilfen zu Erziehung ebenso wie Hilfen zur Lebensbewältigung. Für dieses integrierte System wurde die Schule vielfach bundes- und landesweit ausgezeichnet. Mit diesen Vorarbeiten kann die neue Gemeinschaftsschule vom Start weg optimale Bedingungen bieten.
Man kann mit Fug und Recht sagen: Die pädagogischen Vorbereitungen auf die Gemeinschaftsschule laufen in Tübingen bereits seit vielen Jahren. Wir sind hier optimal auf die Chance vorbereitet, gemeinsames und individuelles Lernen zu verwirklichen. Das ist ganz wesentlich auch das Ergebnis eines Schulentwicklungsprozesses, den die Schulen mit Eltern und Verwaltung in den letzten Jahren durchgeführt haben.
Neben den pädagogischen Vorarbeiten der Schulen hat Tübingen eine Reihe weiterer günstiger Bedingungen für Gemeinschaftsschulen zu bieten oder wird sie jetzt schaffen: Es gibt in Tübingen ein großes Interesse der Elternschaft an gemeinschaftlichem Lernen. Der Gedanke, dass Kinder nicht schon mit zehn Jahren Leistung für eine Lebensentscheidung abverlangt werden muss, hat hier große Sympathie. Entsprechend ist zu erwarten, dass wie bisher schon die Geschwister-Scholl-Schule die viel Unterstützung und Nachfrage aus der Elternschaft für die Gemeinschaftsschule eingebracht wird. Umgekehrt verhielt es sich mit der Hauptschule, die in Tübingen zuletzt noch eine Übergangsquote von sieben Prozent erreichte. Daher mussten bereits zwei von vor bisher vier Hauptschulen aufgegeben werden. Heute gibt es in Tübingen keine Hauptschule mehr.
Ideale Voraussetzungen hat Tübingen auch räumlich zu bieten. Die Gemeinschaftsschule ist an der Geschwister-Scholl-Schule sogar mit dem Gymnasium in einem Haus. Die beiden Schulen in der Innenstadt teilen sich einen Pausenhof. Einzig die Französische Schule muss neue Räume erhalten und sich künftig auf zwei Standorte verteilen.
Zu den positiven Standortfaktoren gehört auch die einhellige Unterstützung des Gemeinderates für die Schulen. Auch die CDU- und die FDP-Fraktion im Tübinger Gemeinderat haben sich immer wieder deutlich für das Konzept der Französischen Schule ausgesprochen und den Antrag der Geschwister-Schule für die erweiterte Kooperation unterstützt. Das ist nach den Vorberatungen auch für die Gemeinschaftsschulen zu erwarten. Für alle drei Schulen zusammen werden etwa sechs Millionen Euro Investitionen erforderlich sein, um die Voraussetzungen für Ganztagsbetrieb und Kleingruppenunterricht zu schaffen. Diese Mittel werden voraussichtlich mit sehr großer Mehrheit bewilligt.
Tübingen ist damit auf dem besten Weg, eine landesweite Vorreiterschule in der Entwicklung von Gemeinschaftsschulen einzunehmen. Für Schülerinnen und Schüler wie auch die Eltern ist dabei besonders erfreulich, das nicht experimentiert, sondern lange vorbereitete pädagogische Konzepte umgesetzt werden können. Diese sind überdies so deutlich profiliert, dass es in Tübingen in Zukunft zwar nur noch 5 Gymnasien, drei Gemeinschaftsschulen und eine Realschule geben wird, trotzdem aber eine große Vielfalt an pädagogischen Angeboten vom Hochbegabtenzug über Sprach-, Musik-, und Technische Gymnasialangebote bis zu den besonderen Formen der Gemeinschaftsschule. Wenn dies von Erfolg gekrönt ist, wird Tübingen den Lernerfolg vom familiären und sozialen Hintergrund der Kinder deutlich entkoppeln und mehr als 70 Prozent der Kinder bis zum Abitur führen können.
Informationstermine für die Eltern:
Dienstag, 31. Januar 2012, 20 Uhr
Elterninformationsveranstaltung an der Geschwister-Scholl-Schule
Mittwoch, 1. Februar 2012, 20 Uhr
Elterninformationsveranstaltung am Bildungszentrum West
Montag, 6. Februar 2012, 20 Uhr
Elterninformationsveranstaltung an der Französischen Schule
Schulanmeldung:
Mittwoch, 28. und Donnerstag, 29. März 2012
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen