Götz Adriani wird Tübinger Ehrenbürger
Pressemitteilung vom 31.01.2012
In seiner Sitzung am Montag, 30. Januar 2012 hat der Tübinger Gemeinderat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Boris Palmer nach ausführlicher Diskussion beschlossen, Professor Dr. Götz Adriani die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Damit würdigt die Universitätsstadt Tübingen die großen Leistungen und Verdienste von Professor Dr. Götz Adriani im Bereich der Bildenden Kunst und der Kunstvermittlung und als langjähriger Leiter der Tübinger Kunsthalle.
„Mit Götz Adriani ist eine Ära verbunden, deren Strahlkraft weit über Tübingen hinaus reicht und der Stadt zu Weltruhm verholfen hat“, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. „Wer in New York oder Tokio in kunstinteressierten Kreisen von Tübingen spricht, meint Adriani und umgekehrt“.
Mit hochkarätigen und publikumswirksamen Ausstellungen der klassischen Moderne wie der zeitgenössischen Kunst wurde die Kunsthalle zu einer renommierten Adresse in der Kunstwelt und zugleich einer der bekanntesten Werbeträger Tübingens. Für viele der in Frankreich wirkenden Meister des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts organisierte er die hierzulande erste Einzelausstellung.
Götz Adriani wurde am 21. November 1940 in Stuttgart geboren. Nach Abschluss des Stuttgarter Kepler-Gymnasiums studierte er Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte an den Universitäten München, Wien, Tübingen und promovierte 1964 zum Thema "Der mittelalterliche Predigtort und seine Ausgestaltung". Ein Jahr (1965 - 1966) volontierte er an der Stuttgarter Staatsgalerie. Von 1966 bis 1971 arbeitete er als Konservator und später als Oberkonservator am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, an dem er die Installation der Sammlung Ströher mit den großen amerikanischen Künstlern der Pop-Ära und dem Beuys-Block gestaltete. 1971 kam er als Direktor an die damals neu gegründete Kunsthalle Tübingen, die einer Stiftung von Paula Zundel, Tochter des Stuttgarter Großindustriellen Robert Bosch und Witwe des 1948 in Tübingen gestorbenen Malers Georg Friedrich Zundel, zu verdanken war.
Überzeugt, dass die Kunst als „Schule des Sehens“ gebraucht werde, machte Professor Dr. Adriani die Kunsthalle Tübingen" zu einer ersten Adresse für die Schwellenkunst der Moderne", wie Wochenzeitung „Die Zeit“ es einmal formulierte, und sorgte mit seinem Ausstellungsprogramm immer wieder für internationales Aufsehen. Er erklärte es zu seinem Ziel, Kunst zu zeigen, „die Weichen stellt“ und Künstler, „die nicht im Strom des Ganzen waren“.
Die Kunsthalle Tübingen eröffnete er 1971 mit Werken Willi Baumeisters. Es folgten unter anderem Ausstellungen von Cézanne-Zeichnungen und den grafischen Werken Toulouse-Lautrecs, daneben aber auch frühe Präsentationen bedeutender Gegenwarts-künstler wie Joseph Beuys, Sigmar Polke, Richard Serra, Anselm Kiefer, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und Franz Erhard Walther. Höhepunkte in den 80er Jahren waren die Ausstellung der Aquarelle Cézannes (1982; 140.000 Besucher), die Degas-Retrospektive (1984; 210.000 Besucher) sowie die Präsentationen von Werken Picassos (1986; 190.000 Besucher) und der Gemälde Toulouse-Lautrecs (1986/1987; über 300.000 Besucher).
Dank seiner Kontakte und seiner wissenschaftlichen Reputation erzielte er 1993 einen spektakulären Erfolg mit einer Paul-Cézanne-Retrospektive, der bedeutendsten Schau von Ölgemälden Cézannes seit der Pariser Ausstellung 1936: In 15 Wochen besuchten über 430 000 Kunstinteressierte aus aller Welt die Tübingen Kunsthalle; zuletzt hatten die Besucher Wartezeiten von bis zu fünf Stunden in Kauf genommen, um einen Blick auf die Meisterwerke werfen zu können. Ebenso ungewöhnlich war die hohe Zahl von 210.000 verkauften Katalogen.
Dr. Adriani nannte es "weltweit einmalig", dass jeder zweite Besucher einen Katalog erworben hatte. Die Ausstellung erwirtschaftete einen Überschuss von rund fünf Millionen DM, der für den Anbau eines Verwaltungsgebäudes (ehemalige Zweigstelle der Stadtbücherei) und zur Finanzierung weniger publikumswirksamer Ausstellungen eingesetzt wurde. Bereits 1996 zog die „Renoir-Retropektive“ mehr als 420.000 Besucherinnen und Besucher an.
Zahlreiche bedeutende Museen versuchten in den 80er und 90er Jahren, Prof. Dr. Adriani für eine Tätigkeit in ihren Häusern zu gewinnen; so war er unter anderem als Leiter der Stuttgarter Staatsgalerie und als Direktor des Folkwang-Museums in Essen im Gespräch. Er lehnte jedoch sowohl diese als auch weitere Angebote – nicht zuletzt die Stelle des Generaldirektors der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München – ab.
Im Sommer 2003 wurde die städtische Kunsthalle in Tübingen mit den erwirtschafteten Ausstellungsüberschüssen und weiteren privaten Zuwendungen in eine Stiftung bürgerlichen Rechts umgewandelt. Mit der gemeinnützigen Stiftung sollte die notwendige Flexibilität für die Kunsthalle geschaffen und die wirtschaftliche Grundlage der Einrichtung mit Blick auf die Zukunft verbessert werden; die städtische Institution wurde in eine selbstständige Einrichtung mit gemeinnützigem Charakter umgewandelt. Prof. Dr. Götz Adriani wurde mit dem 30.11.2005 in den Ruhestand versetzt und vom Aufsichtsrat der Stiftung Kunsthalle zum Vorstand bestellt.
Neben seiner Tätigkeit in Tübingen hat Prof. Dr. Adriani auch für andere Institutionen gearbeitet: So übernahm er im Frühjahr 1999 die Leitung des zum Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) gehörenden Museums für Neue Kunst (MNK) und führte die Vorbereitungen des sich im Aufbau befindenden Sammlermuseums weiter, für das er bereits in der Anfangsphase der Planungen beratend tätig gewesen war; bei der Übernahme der Aufgabe hatte er sich allerdings ausbedungen, die Tübingen Kunsthalle weiterführen zu können.
Auch war er Mitglied des Beraterteams, das mit dem Kunstbeirat des Bundestages über die Ausstattung des Bundestagsgebäudes mit Kunstwerken entschied und fungierte als deutscher Kommissar für die Biennale in Sào Paulo. Als zweiter Vizepräsident im Präsidium des Instituts für Auslandsbeziehungen beteiligte er sich zudem an der Entwicklung des Kunstprogramms des Instituts und beriet seit 2001 als Vorstandsmitglied Frieder Burda bei der Einrichtung seines Stiftungsmuseums in Baden-Baden. Seit 1985 ist Prof. Dr. Adriani Honorarprofessor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Als Herausgeber bzw. Autor zahlreicher Werkdokumentationen hat sich Prof. Dr. Adriani ebenfalls einen Namen gemacht. Das von Prof. Dr. Adriani von 1971 bis 2005 geprägte Ausstellungsprogramm zeichnete sich durch den hohen wissenschaftlichen Qualitätsstandard und den Wechsel zwischen zeitgenössischer Kunst und klassischer Moderne aus.
Aufgrund seiner Verdienste wurden Professor Dr. Götz Adriani zahlreiche Ehrungen zu-teil, darunter die folgenden Auszeichnungen:
1985 Preis der Theo-Wormland-Stiftung München
1985 Ordre des palmes academiques
1987 Preis der Württembergischen Hypothekenbank für Kunst und Wissenschaft
2001 Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
2002 Ritter der Ehrenlegion Frankreichs (höchste französische Auszeichnung)
2008 Bundesverdienstkreuz I. Klasse
Tübinger Ehrenbürgerinnen und -bürger: www.tuebingen.de/ehrenbuerger
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen