Über den Stadtteil WHO
Waldhäuser-Ost ist der am höchsten gelegene Stadtteil Tübingens. Er wurde ab 1968 auf dem Gelände eines ehemaligen französischen Exerzierplatzes am Stadtrand von Tübingen gebaut. Der neue Stadtteil sollte der wachsenden Bevölkerung Platz bieten.
1965 hatte Dipl. Ing. Siegfried Hieber den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen. Er hatte den Stadtteil als eigenständig funktionierende Trabantenstadt mit eigener sozialer Infrastruktur geplant. Verlangt worden war eine Wohnanlage mit 1.800 Wohneinheiten in verschiedenen Haus- und Eigentumsformen für 7.000 Einwohner. Darüber hinaus dazugehörige Gemeinschaftseinrichtungen, ein Seniorenheim und ein Studentenheim. Ende 1976 waren ca. 5.000 Bewohnerinnen und Bewohner eingezogen und der Großteil der Bebauung fertiggestellt.
Heute hat das Gebiet der Sozialen Stadt 6.483 Einwohnerinnen und Einwohner (31.12.2018). Davon lebten rund 2.700 Menschen innerhalb des Berliner Rings, rund 1.900 im Studierendendorf und rund 1.600 außerhalb des Berliner Rings. Mitte der 1990er Jahre hatte Waldhäuser-Ost rund 7.200 Einwohnerinnen und Einwohner – dies war der Höhepunkt der Bevölkerungsentwicklung.
Die kompakte Siedlungsanlage in reizvoller Aussichtslage mit Blick auf die Schwäbische Alb oberhalb der Stadt (Fernwirkung, Hochhäuser als „Stadtzeichen“) wird dominiert durch die Haupterschließungsstraße Berliner Ring, die das Wohngebiet in einen zentralen Bereich und einzelne, ablesbare Quartiere gliedert und trennt. Straßenbegleitgrün, teilweise großflächige, begrünte Grundstücksfreiflächen innerhalb des Berliner Rings – häufig auf Garagendächern in Privateigentum, die begrünten Ränder am Berliner Ring sowie entlang des Nordrings erzeugen den grünen Charakter des Stadtteils.
Innerhalb des Berliner Rings liegt der zentrale Bereich von Waldhäuser-Ost, geprägt durch vier Hochhäuser und mehrgeschossige Gebäudezeilen mit vier bis acht Geschossen. Durch die Anordnung und die Ausrichtung der Baukörper entstehen große begrünte Freiflächen zwischen den Gebäuden. Im Kontrast dazu stehen die dicht gestaffelten, zweigeschossigen Reihenhauszeilen nordöstlich des Einkaufszentrums. Angegliedert an den Berliner Ring sind Subquartiere (im Uhrzeigersinn) mit unterschiedlichen Funktionen und Nutzungen aber auch Baustilen. Sie bilden in sich funktionierende Nachbarschaften und sind räumlich und funktional mehr oder weniger vom zentralen Bereich innerhalb des Berliner Rings getrennt. Im Südwesten zwischen Berliner Ring und Nordring liegt das campusartig angelegte, weitgehend autofreie Wohnquartier der Studierenden. Das Studierendendorf ist über einen Steg über den Berliner Ring fußläufig an das Versorgungszentrum angebunden. Dann folgen im Uhrzeigersinn der Schulcampus der Geschwister-Scholl-Schule, die Mitte der 1980er Jahre verwirklichte Ökosiedlung Schafbrühl (inzwischen in die Liste der Kulturdenkmale in Baden-Württemberg aufgenommen), das Gewerbegebiet, der Campus der Freien Waldorfschule mit Kindergarten, Freibereich und drei Hauptgebäuden, sowie die Wohngebiete Neue Äcker und Falkenweg. Ganz im Norden liegt das Holderfeld mit Angeboten verschiedener Vereine und entsprechender Sport-Infrastruktur. Hier befindet sich auch eine Kleingartenanlage mit hohem Freizeitwert für die Mitglieder. Im Südwesten entsteht mit dem Wissenschafts- und Technologiepark ein Wissenschafts- und Entwicklungsquartier für innovative Technologien im Bereich der Biotechnologie, Medizintechnik und der Künstlichen Intelligenz.
Zu Potenzialen, die es im weiteren Prozess zu stärken gilt, gehören die Lage des Stadtteils mit der Nähe zur Natur und Naherholungsbereichen, der grüne Charakter des Gebietes mit einem engmaschigen Fußwegenetz innerhalb des Berliner Rings, die gute Verkehrsanbindung auch durch den ÖPNV, die vielfältige soziale Infrastruktur und der hohe Freizeitwert – das Hallenbad Nord hat über den Stadtteil hinaus eine hohe Attraktivität und erzeugt zu bestimmten Zeiten ein entsprechendes Verkehrsaufkommen - sowie eine Bevölkerung mit vielfältigen kulturellen Hintergründen.
In die Jahre gekommen
Rund 50 Jahre nach seiner Entstehung ist der Stadtteil allerdings auch in die Jahre gekommen. Dies betrifft zum Teil den baulichen Zustand des Einkaufszentrums, von Wohngebäuden, Infrastruktureinrichtungen und im öffentlichen Raum. Aber auch die Bevölkerung ist mit dem Stadtteil zusammen alt geworden, sodass ein Generationenwechsel ansteht. Wohnangebote für das Leben im Alter fehlen und soziale Angebote müssen den aktuellen und zukünftigen Anforderungen angepasst werden. Neben – barrierefreien – Wohnformen für ältere Menschen auch mit Unterstützungsbedarf fehlen bezahlbare Wohnungen für Familien. Das Einkaufszentrum ist wenig attraktiv, weist Leerstände auf und kann die Funktion als lebendige Stadtteilmitte nicht mehr erfüllen. Im öffentlichen Raum fehlen Qualitäten, die die Begegnung und das Zusammenleben fördern, sowie ergänzende Angebote für bestimmte Zielgruppen. Häufig sind Wege nicht barrierefrei. Es gibt wenig öffentliche Freiflächen außer den Wegen, Schulhöfen und dem Spielplatz „Bei den Römergräbern“. Ein in den Gründungszeiten angelegter Trimmpfad am Rande des Schönbuchs ist inzwischen in großen Teilen rückgebaut worden.
Die städtebaulichen Leitlinien der Entstehungszeit wie z.B. offene Räume, Funktionentrennung der Nutzungen und der Verkehrsarten führen u.a. dazu, dass überdimensionierte Straßenräume Barrieren zwischen den Bereichen darstellen und für Fußgänger schwer zu queren sind. Fehlende Nutzungsmischung und Funktionentrennung erzeugen zudem in Teilen den Charakter einer Wohn- und Schlafstadt mit wenig räumlicher Identität, Orientierung und Lebendigkeit im öffentlichen Raum.