Bierer-Straße
Ernst Wilhelm Bierer (1796-1876)
benannt 1912
Ernst Wilhelm Bierer war von 1823 bis 1857 Stadtschultheiß Tübingens. In dieser Zeit trat der Tübinger Gemeinderat mehrfach mit antijüdischen Äußerungen und Maßnahmen in Erscheinung. Insbesondere klagte die Stadt 1850 gegen Leopold Hirsch, der als erster Jude das Tübinger Bürgerrecht erwerben wollte.
Die Protokolle des Gemeinderats lassen es nur in wenigen Fällen zu, einzelne Äußerungen oder Meinungen zu rekonstruieren und konkreten Personen zuzuschreiben. Für Bierer ist lediglich eine antijüdische Äußerung aus dem Jahr 1825 belegt. Klar ist jedoch auch, dass er in seiner Funktion als Stadtschultheiß eine tonangebende Rolle im Gemeinderat spielte. Der deutlich antijüdischen Positionierung des Gemeinderats ließ er zumindest freien Lauf.
Mit seiner antijüdischen Haltung bewegte sich der Tübinger Gemeinderat im Rahmen damals üblicher und weit verbreiteter Ressentiments. Für die Betroffenen brachten diese Ressentiments und die mit ihnen einhergehenden Praktiken der Diskriminierung durchaus konkrete soziale, kulturelle und materielle Belastungen mit sich. Diese unterschieden sich allerdings noch deutlich von den Konsequenzen des rassistischen Antisemitismus, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Kontur gewann und in die nationalsozialistische Judenverfolgung und -vernichtung mündete.