Am alten Güterbahnhof: Straßennamen stehen fest
Pressemitteilung vom 04.04.2017
Das neue Quartier südlich der Bahnlinie heißt jetzt offiziell „Alter Güterbahnhof“. Das hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 3. April 2017 entschieden. Er folgte damit den Vorschlägen einer Jury: Die Hanna-Bernheim-Straße ist die längste neue Straße und führt direkt an den Gleisen entlang. Von ihr zweigt im Westen der Josef-Wochenmark-Weg und im Osten der Max-Löwenstein-Weg zur Eisenbahnstraße ab. Der kleine Platz vor dem ehemaligen Güterbahnhof heißt künftig „Am Alten Güterbahnhof“.
Die Jury hatte keine leichte Aufgabe: An einem Namenswettbewerb hatten sich 215 Menschen beteiligt und insgesamt mehr als 4.000 Vorschläge eingereicht. „Das große Echo hat uns sehr gefreut“, sagt Baubürgermeister Cord Soehlke. „Schnell war klar, dass der historische Bezug zum Güterbahnhof auch im Namen fortbestehen sollte. Wie beim Mühlenviertel oder der Alten Weberei hat die Verbindung zur Stadtgeschichte die Jury überzeugt.“
Schwieriger war die Namensvergabe für die Straße und die beiden übrigen Wege. Schon 2015 hatte der Gemeinderat die ersten Namen im neuen Quartier vergeben: Die beiden Wege rechts und links des Güterbahnhofs heißen Andreas-Mang-Weg und Kurt-Schwägerle-Weg. Sie erinnern an die beiden Feuerwehrleute, die 2005 unweit davon bei einem Rettungseinsatz unter tragischen Umständen ums Leben kamen. Darauf nahm die Jury Rücksicht und wählte weitere Persönlichkeiten aus, deren Schicksal mit Tübingen eng verbunden ist und denen durch die Wahl ein ehrendes Andenken zuteilwird. Da unter den vorgeschlagenen Personen, die hierfür in Frage kamen, nur wenige Frauen waren, griff die Jury auf einen früheren Vorschlag zurück und schlug vor, Hanna Bernheim zu ehren.
Unter denjenigen, die einen der jetzt gewählten Namen vorgeschlagen hatten, wurden Preise verlost. Eine Jahreskarte für die Tübinger Schwimmbäder gibt es für den Namen des Quartiers. Je eine übertragbare TüBus-Monatsfahrkarte gibt es für die Namen der Straße und der Wege. Eine Freibad-Saisonkarte konnte man für den Namen des Platzes gewinnen. Die Preise stellen die Stadtwerke Tübingen und die Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG zur Verfügung. Die Gewinnerinnen und Gewinner werden in den nächsten Tagen benachrichtigt.
Wer waren die drei Personen, nach denen die Straßen und Wege am Alten Güterbahnhof benannt werden?
Hanna Bernheim
Hanna Bernheim (geborene Bach) kam 1895 als Tochter eines vermögenden jüdischen Kaufmanns in Augsburg zur Welt. Die Heirat mit dem Fabrikanten Adolph Bernheim führte sie nach Bronnweiler. Um ihren Kindern eine bessere Schulbildung ermöglichen zu können, zogen die Bernheims 1930 nach Tübingen. Im März 1938 musste das Bronnweiler Unternehmen, im Juli 1938 das Tübinger Haus verkauft werden. Einer Verhaftung im Anschluss an das Novemberpogrom 1938 entging Adolph Bernheim nur knapp. Im Juli 1939 gelang der Familie im letzten Augenblick die Flucht aus Nazi-Deutschland in die USA. Doch Augsburg, die Stadt ihrer Kindheit und Jugend, und Tübingen, das „liebe alte Städtchen“, blieben unvergessen. Der Kontakt zu alten Freundinnen in beiden Städten blieb lebenslang bestehen. Am 4. Februar 1990 ist Hanna Bernheim in den USA verstorben. Ihre beiden in Tübingen geborenen Kinder lassen den Kontakt zu Tübingen nicht abreißen.
Max Löwenstein
Der Viehhändler Max Löwenstein wurde 1874 in Rexingen geboren. 1903 heiratete er die Tochter des Viehhändlers Heinrich Liebmann. 1908 kam die Familie nach Tübingen und zog in den Gasthof König ein. Mit seinem Bruder Emil führte Max Löwenstein dort die Viehhandlung Gebrüder Löwenstein. Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 1. April 1933 traf auch die Löwensteins. 1937 musste Max Löwenstein seine Viehhandlung aufgeben. Ab dem Jahr 1939 versuchte die Familie dann, Nazi-Deutschland zu verlassen. Doch die Ausreise sollte nicht gelingen. 1942 wurden Max und Sofie Löwenstein von Tübingen aus nach Theresienstadt gebracht. Max Löwenstein starb dort am 5. Juni 1944.
Josef Wochenmark
Josef Wochenmark wurde 1880 im österreichischen Rozwadow geboren. Mit seiner Frau Bella und den beiden Söhnen Alfred und Arnold wohnte er in Tübingen. Josef Wochenmark war von Herbst 1925 bis Ende 1934 der Vorsänger der Jüdischen Gemeinde Tübingen-Reutlingen. 1934 zog die Familie Wochenmark nach Schwäbisch Gmünd. Nach der Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde Josef Wochenmark im Januar 1940 nach Stuttgart versetzt und zum orthodoxen Rabbiner ernannt. Als das Ehepaar Wochenmark im März 1943 die Aufforderung zur Deportation erhielt, nahm sich Josef Wochenmark das Leben. Seine Frau überlebte schwerverletzt, wurde verschleppt und ermordet.
Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen